Wir bereiten uns intensiv auf die Einführung der „ePA für alle“ vor
10.9.2024 - Köln - Die Arzt- und Psychotherapeutenpraxen in Nordrhein stehen vor einer intensiven Phase der Digitalisierung. Mit der bevorstehenden Einführung der „elektronischen Patientenakte (ePA für alle)“ bereiten sich die Praxen auf signifikante Veränderungen vor. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) unterstützt ihre Mitglieder bei diesem Wandel durch umfassende IT-Beratung und spezielle Schulungsangebote. Über die Herausforderungen, die Aufgaben und den Blick in die Zukunft spricht Jonas Polaszek, Mitarbeiter IT-Beratung KVNO im daten-strom-Interview.
© KVNO; Jonas Polaszek: „Ich bin überzeugt, dass die fortschreitende Digitalisierung einen
signifikanten Beitrag zur Sicherstellung der Patientenversorgung leisten kann“
© KVNO; Jonas Polaszek: „Ich bin überzeugt, dass die fortschreitende Digitalisierung einen signifikanten Beitrag zur Sicherstellung der Patientenversorgung leisten kann“
Lieber Herr Polaszek, Sie sind seit 2023 tätig bei der KVNO in der IT-Beratung im Service- und Beratungszentrum in Köln. Was sind genau Ihre Aufgaben bzw. um welche Themen kümmern Sie sich?
Als Mitarbeiter im Service- und Beratungszentrum in Köln kümmere ich mich hauptsächlich um die IT-Beratung für Arzt- und Psychotherapeutenpraxen. Dabei helfe ich den Praxen, sich in der digitalen Landschaft zurechtzufinden, insbesondere was die IT und Fragen zur Telematikinfrastruktur betrifft. Des Weiteren informiere ich zu Themen wie Datenschutz und Datensicherheit. Dabei berate ich sowohl Ärzte, die sich niederlassen wollen als auch bereits niedergelassene Ärzte.
Wie herausfordernd ist es für Sie, den Überblick über die relevanten IT- und Telematik-Themen zu wahren? Ich kann mir vorstellen, dass in Zeiten von KI und Co. die Themen eher mehr werden, anstatt weniger.
Es ist tatsächlich eine Herausforderung, den Überblick über die zahlreichen IT- und Telematik-Themen zu behalten, besonders angesichts der schnellen Entwicklungen in Bereichen wie Künstlicher Intelligenz. Dieser Teil der Arbeit macht mir persönlich allerdings auch viel Spaß. Um alle Neuerungen, die die Technik bietet mitzubekommen, sind wir als IT-Berater im Austausch mit den zentralen Playern – wie der gematik – und der Industrie. Wir besuchen ebenfalls Messen zu diesen Themen, wie beispielsweise die DMEA in Berlin. Dort wurde uns z.B. ein KI-Telefonassistent vorgestellt, welcher die zukünftige Kommunikation mit den Arztpraxen verändern kann.
Wie haben Sie den digitalen Wandel und die Veränderungen seit Ihrem Dienstbeginn bei Ihren Mitgliedern erlebt? Die Digitalisierungsstrategie des BMG verlangt den Leistungserbringern einiges ab.
Seit meinem Dienstbeginn habe ich den digitalen Wandel sehr intensiv erlebt. Die Anforderungen, die durch die Digitalisierungsstrategie des Bundesministeriums für Gesundheit entstehen, sind nicht leicht zu bewältigen. Die Aufgaben und Anforderungsprofile verändern sich hierbei nicht nur im ärztlichen Bereich, sondern auch für das nichtärztliche Personal. Ich sehe die Anstrengungen der Praxen, mit diesen Veränderungen Schritt zu halten, was oft eine Umstellung der Arbeitsweise bedeutet. Gerade das Thema Telematikinfrastruktur stößt dabei nicht nur auf Begeisterung. Insgesamt würde ich aber sagen, dass der Großteil der Praxen in meinen Beratungen dem digitalen Wandel offen gegenüberstehen, wenn der Nutzen für sie wirklich erkennbar ist.
„…auch bei der elektronischen Patientenakte wird es nächstes Jahr spannend werden.“
Welche digitalen Herausforderungen und Probleme sind für Arzt- und psychotherapeutischen Praxen im täglichen Betrieb am dringlichsten?
Die größten digitalen Herausforderungen, die ich in den Praxen sehe, betreffen vor allem die Anwendungen in der Telematikinfrastruktur. Dazu zählen die zu hohe Fehlerhäufigkeit, die schwierige Bedienung und den teilweise fehlenden Nutzen für einzelne Arztgruppen.
Anfang des Jahres kamen beispielsweise eine Menge Fragen zum eRezept, auch bei der elektronischen Patientenakte wird es nächstes Jahr spannend werden.
Sie sprachen das eRezept schon an. Gematik-Chef Florian Hartge sagte ja vor kurzem in einem Interview, dass das eRezept gut angekommen sei. Können Sie das aus der Perspektive der IT-Beratung bestätigen?
Ja, insgesamt ich kann bestätigen, dass das eRezept in den Praxen mit Verzögerung gut angekommen ist. Anfang des Jahres gab es - wie zu erwarten - einige Probleme. Mittlerweile haben fast alle Praxen das eRezept erfolgreich integriert und viele schätzen die Vorteile. Natürlich gibt es noch vereinzelt Herausforderungen, aber insgesamt ist die Akzeptanz hoch.
Ab dem 15.01.25 soll es ja die „ePA für alle“ in bestimmten Modellregionen geben. Es ist anzunehmen, dass sich dies auch auf die IT-Beratung in Ihrem Hause auswirken wird. Wir bereitet sich die IT-Beratung auf das Thema „ePA“ vor? Welche Vorkehrungen werden getroffen und welches Beratungs- und Informationsangebot wird es geben?
Wir bereiten uns intensiv auf die Einführung der „ePA für alle“ vor. Hierbei kann ich direkt einmal Werbung in eigener Sache machen. Die IT-Beratung der KV Nordrhein hat seit kurzem Dienstag- und Mittwochnachmittags - jeweils ab 13:30 Uhr für ca. eine Stunde - eine offene ePA-Sprechstunde im Angebot. Hierbei wird es online einen Vortrag mit aktuellen Informationen sowie eine offene Fragerunde geben. Weitere Informationen sowie den Link zu der Onlineveranstaltung finden Sie auf unserer Homepage. Darüber hinaus werden wir in den nächsten Monaten verschiedenste Informationsangebote für unsere Mitglieder bereitstellen.
Die Einführung der ePA 3.0 wird in den Praxisverwaltungsprogrammen sicherlich nicht reibungslos verlaufen und die Praxen zusätzlich belasten. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Niedergelassenen einem Wechsel des Praxisverwaltungsprogamms in Erwägung ziehen würden, wenn es denn so einfach wäre…. Können Sie das bestätigen, bzw. was würden sie den Praxen raten?
Es gibt Praxen, die mit Ihrem Praxisverwaltungssystem aktuell unzufrieden sind. Das merken wir in unseren täglichen Beratungen mit Hinweisen zu unzureichendem Support, zur Fehlerhäufigkeit und zu hohen Kosten. Vor einem Wechsel schrecken allerdings viele Mitglieder ab. Die Gründe hierfür sind vielseitig. So ist ein Wechsel meist mit einem hohen Aufwand und Kosten verbunden. Viel schwieriger gestaltet sich allerdings die Schulung und Akzeptanz für ein neues Praxisverwaltungssystem, da viele Mitarbeiterende in den Praxen über Jahrzehnte mit ihrer Software gearbeitet haben und ihnen ein Umstieg daher schwerfällt.
Als KV Nordrhein bieten wir einmal im Quartal ein Präsenz-Seminar zu dem Thema PVS-Wechsel an. Hierbei werden unterschiedliche Strategien für einen Wechsel besprochen. Eine gute Vorbereitung und eine strukturierte Durchführung reduzieren die Risiken.
Und nach dem Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) – welches kürzlich vom Bundeskabinett beschlossen wurde – soll der PVS-Wechsel barrierefreier möglich sein und die KVen sollen sog. Wechselberatungen und kriterienbasierte Vergleichsmöglichkeiten für Ihre Mitglieder anbieten können. Würden Sie das begrüßen und was hat das für Auswirkungen die IT-Beratung?
Wir begrüßen grundsätzlich jede Änderung, die unseren Mitgliedern die tägliche Arbeit erleichtert. Wie sich das neue Gesetz allerdings auf unsere tägliche Beratung auswirken wird, kann ich zurzeit noch nicht beurteilen. Vieles wird davon abhängen, ob die Rahmenvereinbarungen für Praxissoftware von der Industrie angenommen werden.
„Gerade wegen der oft schwierigen Vergleichbarkeit suchen Praxen nach Orientierung.“
Apropos Beratung: Wie hoch ist denn der Beratungsbedarf beispielsweise bei den Angeboten zur TIaaS oder TI-Gateway? Sind die Angebote der Hersteller mittlerweile noch vergleichbar?
Der Beratungsbedarf bei Angeboten wie TIaaS oder dem TI-Gateway ist vergleichbar mit den anderen Beratungsthemen hoch. Gerade wegen der oft schwierigen Vergleichbarkeit suchen Praxen nach Orientierung.
Der Trend geht im Gesundheitswesen nicht nur bei der Telematik mehr und mehr in Richtung Cloud. Wie beurteilen Sie den Trend zu PVS-Cloudlösungen? Wird ein Praxisverwaltungssystem in der Cloud mehr IT-Probleme lösen oder kommen neue Herausforderungen auf die Praxen zu?
Ich sehe den Trend zu PVS-Cloudlösungen als eine wichtige Entwicklung im Gesundheitswesen. Cloudbasierte Systeme können viele IT-Probleme lösen, indem sie zum Beispiel für eine höhere Flexibilität und leichtere Updates sorgen. Allerdings bringen sie auch neue Herausforderungen mit sich, wie zum Beispiel Fragen zur Datensicherheit und zur Abhängigkeit von Internetverbindungen.
Interessant, aber wagen wir mal den Blick in die Glaskugel: Wird es mittel- bis langfristig keine dezentralen PVS-Systeme mehr geben und Cloudlösungen die IT in der Praxis quasi auf ein Minimum reduzieren, bis auf ein paar Eingabegeräte, Tabletts und Displays?
Ein Blick in die Glaskugel ist gerade bei der schnellen technischen Entwicklung schwierig einzuschätzen. Die Glaskugel ist bei diesem Thema für mich eher nebulös. Ich persönlich könnte mir vorstellen, dass der Trend in Zukunft weiter in Richtung Cloudlösung geht, allerdings wird das nach meiner Einschätzung seine Zeit brauchen und nur langsam wachsen. Bei den so wichtigen inhaltlichen Themen kann es von Vorteil sein, z.B. die Behandlungsdokumentation in den „eigenen Händen“ zu halten.
Themenwechsel: IT-Sicherheit und der Schutz von Patientendaten sollten selbstverständlich sein, doch es scheint, als hätte das Engagement dafür nachgelassen und die Bereitschaft zu investieren ebenso. Teilen Sie diese Wahrnehmung? Und sehen Praxisinhaber den Datenschutz als Hindernis für die Digitalisierung?
Aktuell hat die gesamte Industrie und Privatwirtschaft mit Cybersicherheit mehr denn je zu kämpfen. Angriffsversuche sind dort tägliche Realität. Allein schon aus dieser Perspektive bedarf es um noch mehr Bewusstsein zur IT-Sicherheit in den Praxen.
Erst neulich war ich in einem Vortrag bei einem unserer Mitglieder, dessen System gehackt und das Mitglied anschließend erpresst wurde. Das schärft natürlich die Sinne.
Ich erkenne aber nicht, dass der Datenschutz als Hindernis für Digitalisierung gesehen wird.
Nicht nur die Digitalisierung lässt sich nicht aufhalten, sondern auch der demographische Wandel wird fortschreiten und die Babyboomer werden eine sichtbare Lücke in der Versorgung reißen. Laut der Ärztezeitung suchen jetzt schon ca. 5000 Hausarztpraxen einen Nachfolger:In. Könnte die Digitalisierung einen signifikanten Beitrag zur Versorgungssicherheit der Patienten und Patientinnen in Zukunft leisten?
Ich bin überzeugt, dass die fortschreitende Digitalisierung einen signifikanten Beitrag zur Sicherstellung der Patientenversorgung leisten kann, wenn sie dazu beiträgt, Prozesse für Praxen und Patienten zu verschlanken, zu beschleunigen und personelle Ressourcen einsparen hilft. Voraussetzung ist, dass die digitalen Vorgaben und Umsetzungen einen echten Mehrwert bieten und keine zusätzlichen Belastungen verursachen. Hier sehe ich Politik und Industrie in der Verantwortung.
Herr Polaszek, ich möchte mich herzlich für das aufschlussreiche Interview und die spannenden Einblicke in Ihre tägliche Arbeit bei der IT-Beratung der KV Nordrhein bedanken.
@ Von Thomas Klug, daten-strom.Medical-IT-Services GmbH
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